Der 1975 in Japan geborene Komponist Satoshi Yagisawa ist in vielen Genres zu Hause: Sein Werkkatalog umfasst Kompositionen für Chor, Kammermusikensembles,
Orchester uvm. Seine pädagogischen Erfahrungen, seine Einladungen als Gastdirigent sowie seine Tätigkeit als Juror bescheren ihm einen tiefen Einblick in die Blasorchesterszene. So erfreuen sich seine Werke dieser Gattung auch immer größerer Beliebtheit. Häufig folgen sie einer dramtisch angelegten Konzeption, bedienen sich rasch zu erfassenden Melodien und beinhalten innige Passagen in einer kompakten Kompositionsweise.
Unter seinen Blasorchesterwerken befinden sich eine Reihe von Auftragskompositionen, zu der auch die in diesem Jahr editierte Festive Overture gehört. Sie
entstand anlässlich des zehnjährigen Bestehens des städtischen Blasorchesters Shimizu il compagno, ansässig in der japanischen Hafenstadt Shimizu. Das
Orchester spielte 2017 unter der Leitung von Hiromchi Hamada die Uraufführung seiner Geburtstagskomposition in seiner Heimatstadt, deren Strände und grüne
Kiefernwäldchen zu den schönsten des Landes gehören. Die Vielfalt und Einzigartigkeit der Gegend rund um diese Stadt, die sich vom Hafen über die Bucht,
den Berg Fudschijama bis hin zu den südlichen japanischen Alpen zieht, sowie die Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit der Bewohner fängt Yagisawa in Festive
Overture mit dem Untertitel City of the Pacific fast wie Filmmusik ein. Das knapp fünfeinhalbminütige Werk der Mittel bis Oberstufe umfasst unterschiedliche
und in ihrem Charakter kontrastierende, jedoch sich ergänzende Formteile, die fließend ineinander übergehen. In ihrer Konzeption ist es natürlich hervorragend
als Eröffnungsmusik eines Konzertes geeignet. In seiner dramatischen Anlage beginnt die Komposition mit einer ruhigen, lyrischen Melodie in Klarinetten
und Tenorsax, die über einem bereits an den Puls des städtischen Treibens anklingenden Schlagwerksatz geradezu schwebt. Kurze, leicht asiatisch klingende
rhythmische Motiveinsätze weiterer Instrumentengruppen führen in einen ersten Tutti-Einsatz, der als Appassionato dicht die verschiedenen Stimmen miteinander
verflechtet. Schließlich folgt ein munterer Allegro-Teil, der lebendig mit präzise ausgearbeiteter Artikulation sowie Synkopierungen einen wirkungsvollen Kontrast
bildet. Er mündet in einen vertraut anmutenden, sanften Zwischenteil, der warm und gesanglich von einem eher kammermusikalisch angelegten Cantabile
abgelöst wird, bei dem sich die Holzbläser eng aneinander schmiegen. Ein Grandioso bereitet schließlich die Wiederaufnahme des Allegro vor, das nicht zuletzt durch
seine Dynamik ein wirkungsvolles Finale der Overture darstellt.
Das Werk wirkt äußerst kurzweilig und stellt durch seine durchgehende Entwicklung viele Facetten eines Blasorchesters dar. Die Arbeit an Phrasierung und
musikalischer Gestaltung ist ebenso interessant wie das Einstudieren der geforderten rhythmischen Präzision sowie intonatorische Feinfühligkeit.
Yagisawa greift das Wort „Il compagno“, zu deutsch „Gefährte“, aus dem Namen des Orchesters auf und lässt einen roten Faden durch seine Komposition hindurch
ziehen, in dem er die Stimmen derart verflechtet, dass jeder Musiker zu jedem Zeitpunkt verlässliche Gefährten in seinem Orchester findet, die die eigene
Stimme sinnhafter, stabiler und überzeugender werden lassen.
Aufführungsdauer: 5:20 Min.
Die Komposition ist demnach sowohl für eine effektive Probenarbeit, als auch für das Wecken eines Verständnisses für die konzeptionelle Anlage eines sinfonischen
Blasorchesterwerkes geeignet, das die Musiker mit Lust und Konzentration erarbeiten. Für das Publikum ist es ein kurzweiliges Werk, das nicht zuletzt auf Grund Yagisawas unendlichem melodischen Erfindungsreichtum sofort zu erfassen ist.
VARIATIONS ON A FRENCH FOLK SONG
Henk van Lijnschooten komponierte seine Variationen über ein französisches Volkslied bereits im Jahr 1973 und seitdem hat sich das Werk zu einem weltweit
bekannten Klassiker der Blasorchesterliteratur entwickelt – was in der Kategorie 2 naturgemäß viel seltener vorkommt, als in den höheren Kategorien, in denen
Komponisten zusehends mehr aus dem Vollen schöpfen können. Insofern spricht bereits diese Tatsache für die Qualität der Komposition.
Das Thema dieser sieben Variationen bildet das populäre Lied „Au Clair de la lune“. Henk van Lijnschooten (und sein „Hausverlag“ Molenaar) haben dabei
zwar nicht die flexible Besetzung im Blasorchesterbereich erfunden, aber ganzes Orchester zu instrumentieren, durchaus neu und innovativ. Damals wie
heute gibt es gerade im Jugendorchesterbereich immer wieder Besetzungslücken in einzelnen Instrumentengruppen, die die musikalische Arbeit erschweren.
Durch die konsequente vierstimmige Instrumentation genügen aber schon wenige Instrumente der ungefähr gleichen Lage, um eine gute Probe und eine vollwertige
Aufführung zu gewährleisten. Um für mehr klangliche Abwechslung zu sorgen, schlägt Lijnschooten für einige Variationen ein Ausdünnen der Besetzung vor.
Zumindest in der Prestovariation (Nr.4) geht es auch um die technische Realisierbarkeit. Die Posaunen wären hier – nicht nur im Kategorie 2-Orchester – klar
überfordert. Grundsätzlich gilt aber: Die Instrumentationsvorschläge sind rein fakultativ und jedem Dirigenten steht es frei, das Werk komplett im Tutti oder in
anderen (sinnvollen) Kombinationen aufzuführen. Lijnschootens Variationen sind nicht nur weltbekannt, weil sie originell, abwechslungsreich und gut realisierbar sind: Wie immer in seinen Werken steht die Idee der „Orchestererziehung“ in Fokus. Für alle Variationen gilt, dass der Klang ausgeglichen und rund sein muss. Die meisten
Variationen sind so transparent, dass bereits kleine Unebenheiten im Zusammenspiel auffallen. Ebenso verhält es sich mit einer einheitlichen Artikulation und
einer ausgewogenen Intonation. Es ist alles so offen instrumentiert, dass Dirigent und Musiker gleichermaßen sofort Ungenauigkeiten hören und darauf reagieren
können. Im Grunde sind Lijnschootens Variationen alleine deshalb schon ein Werk, das man das ganze Jahr und immer wieder proben kann.
Aber das Schönste: Jede Variation gibt viel Raum zur Interpretation. Eine fließende Introduktion, ein graziles und dennoch kinderliedgerechtes Thema, die
erste Variation als blechbläserhaft wuchtiger Kanon mit Hornquinten, die zweite als wunderbar harmonisierter ruhiger Choralsatz, die dritte als gleichmäßiges
uhrwerkartiges Perpetuum Mobile, die vierte Variation als rasanter Kanon, die fünfte minimalistisch auf das Wesentliche reduziert, die siebte voller Pathos
– fast wie im Trio von Pomp and Circumstance bevor im Finale wieder die fließende Introduktion zurückkehrt – diesmal aber in Kombination mit dem Thema.
Kurzum: An diesem Werk können auch musikalisch reifere Dirigenten und Orchester ihre Freude haben. Gut gemachte Musik jenseits des oft gleichförmigen
Kategorie 2-Mainstreams. Bernhard Stopp
ABINGTON RIDGE
Bereits 1989 komponierte der sehr bekannte amerikanische Komponist und Pädagoge Ed Huckeby diese ca. vierminütige einfache, aber effektvolle Overtüre.
Zu Recht ist sie in der Kategorie 2 eingestuft, da sie u. a. einfach aufgebaut (ABA Form bzw. schnell-langsamschnell) und harmonisch (F, B, Es-Dur)
sehr leicht erfassbar ist. Darüber hinaus ist sie gut instrumentiert, mit geschickten Stimmverdoppelungen, so dass eigentlich permanent ein guter Klang erreicht werden
kann. Hinzu kommt relativ wenig Aufwand im Schlagzeug-Register, das mit drei, inklusive Pauken, höchstens vier Musikern sehr gut auskommt. Wie eigentlich immer bei Ed Huckeby, besonders in der beim Verlag Barnhouse publizierten „Command Serie“, stehen einfache melodische und überschaubare harmonische sowie hythmische Strukturen im Vordergrund. Bereits die sechs Einleitungstakte (Tempo Allegro con spirito, Viertel = 126 - 144) nehmen das melodische, rhythmische und harmonische
Material vorweg. Ein Auftakt und darauffolgendes achtelpunktiertes rhythmisches Motiv stehen im Vordergrund, was dann ab Takt 7 als Hauptmotiv bzw. Thema aufgegriffen und verarbeitet wird. Bereits in der Einleitung zeigt sich das Instrumentationsgeschick von Huckeby. Das Schlagzeug, besonders die Pauken, haben ab dem dritten Takt einen kleinen, rhythmischen Kontrapunkt zum Rest des Orchesters zu spielen. Ab Takt 7 übernimmt das Schlagzeug dann eine unterstützenden Funktion. Das gesamte Tonmaterial entspringt einer F-Dur Tonleiter, das in einem 4/4 Takt mit oben erwähntem achtelpunktiertem Rhythmus notiert ist, wobei in Takt 14 - später des Öfteren - sogar ein 2/4 Takt dazwischen geschoben wird. Hinzu kommt eine 8/8 Takt Betonung (3+3+2) in Takt 10, bei der man auf eine ausgewogene Artikulation
achten sollte. Sogar eine kleine d-Moll-Variante findet sich in den Takten 17, 21 etc. wieder, was die Spannung nur erhöht. Ab Takt 27 wird das Thema wiederholt, allerdings mit einer rhythmischen Variante in den Holzbläsern. Im langsameren Moderato Mittelteil hat Ed Huckeby das Anfangsthema ganz einfach „augmentiert“, d.h. die Notenwerte werden einfach nur vergrößert. Die Achtelpunktierungen werden jetzt Viertelpunktierungen etc. - einfach, aber effektvoll! Besonders hier bieten sich Möglichkeiten für sehr schöne Mischklänge und Registerwechsel. Ein Tonartwechsel rundet den Spannungsbogen ab. Es folgt eine Reprise bzw. dal Segno Phase mit einem prägnanten Übergang in die Coda, die diese abwechslungsreiche Overtüre zu einem überzeugenden und beeindruckenden Schluss führt. Mit einer guten Portion
Hingabe, Freude und Begeisterung plus einer guten Interpretation kann man mit dieser - nur 93 Takte langen, pädagogisch gut gemachten Komposition - viele Punkte sammeln und musikalisch beeindrucken. Der Aufwand lohnt sich. Ein ideales Werk für kleinere, bzw. Schüler und Jugendorchester. Stefan Kollmann
RUMMEL BUMMEL
5 Szenen für Blasorchester Gerade in Zeiten wie diesen erscheint einem das fünfsätzige Werk von Thiemo Kraas noch bunter, lebhafter und abwechslungsreicher, indem es uns unbeschwert auf den Kirmesplatz einlädt. Dabei ist doch ein Bummel über den Rummel sowieso für Kinder ein absolut willkommener Spaß, der Farben, Illusionen, Klänge, Düfte und Momente zu zahlreichen neuen Impressionen verbindet, die Kinderaugen glänzen lassen. Als ein mögliches Pflichtwerk der Kategorie
2 ist es nicht nur durch seine Thematik bestens für junge Blasorchester geeignet. In fünf Szenen führt der Komponist Spieler und Zuhörer an verschiedene
Stellen des ihn schon zu Kindertagen faszinierenden Jahrmarkt. Der Eröffnungssatz imitiert mit zwei vertrauten Marschthemen die traditionelle Kirmesorgel. Schon von Weitem sichtbar thront das beeindruckende Riesenrad über den Fahrgeschäften, das sich würdevoll und in erhabener Ruhe das quirlige Treiben von Oben anzuschauen
scheint, indem es als langsamer Walzer elegant seine Runden dreht. Für die ganz Mutigen geht es danach in die Geisterbahn - nichts für schwache Nerven, wenn
es hinter jeder Ecke spukt und sich die Gespenster mit den effekterzeugenden Schlagzeugern verbrüdern! Wieder an der frischen Luft zurück geht es auf die
berüchtigte Achterbahn: Die Spannung steigt, die Wagons langsam in die Höhe kriechen. Nun gibt es kein Zurück: Rasant geht es in die Tiefe, Loopings und
Kurven werden auch musikalisch mit Schwung gemeistert und nach jedem erklommenen Berg, geht es wieder mutig hinab ins Tal. Hier unterstützen die Musikerinnen mit Stimme, Füßen und flatterndem Notenpapier die lebhafte Fahrt, die für alle nach knapp zwei Minuten glimpflich endet. Genau der richtige Zeitpunkt am Ende unseres Rummelbummels noch einen Abstecher zur Autoscooterbahn zu machen. Im Heavy Bet pulsieren hier Coolness, bunte Discolichter und Nebelschwaden, die Zusammenstöße und heikle Lenkmanöver in Szene setzen. Schon beim Einstudieren sowie den sich daraus entwickelnden Assoziationen und Ideen wird eine fantasievolle und interagierende Probenarbeit entstehen. Durch die überschaubare Besetzung können auch kleinere Ensembles hier ein überzeugendes
Klangbild erreichen. Eine optionale Klavier- bzw. Keyboardstimme kann harmonische und rhythmisch als Unterstützung ergänzt werden. Mit Pauken, Mallets, Drum Set und Percussionisten können sich mindestens vier Schlagzeuger auf abwechslungsreiche Weise ausleben und sicher an vielen Stellen einiges an Equipment und Spieltechniken neu kennenlernen, was sie bereits in jugendlichem Alter zu Kreativität und Eigendynamik animiert. Stichnoten in unterschiedlichen Stimmen fangen etwaige Besetzungslücken bestens auf. Abgesehen von den sich charakterlich wunderbar voneinander abhebenden Satz- und Kompositionsstrukturen, die sich in
Melodienhaftigkeit und Ausdruck widerspiegeln, gelang es Thiemo Krass hier nicht nur eine publikumswirksame kleine Suite zu schaffen, sondern auch eine pädagogisch fundierte Kompostion in der eXplora Reihe des deutschen Verlagshauses Rundel zu etablieren, die es schaffen wird, aus Dirigent und Musikerinnen
ein Team zu machen, das sich nach seiner Exkursion auf den Rummel nicht nur musikalisch weiterentwickelt hat, sondern auch in Bezug auf die Gemeinschaft
ein gutes Stück zusammenwachsen wird. Claudia Wälder-Jene
RHAPSODY FROM THE LOW COUNTRIES
Auch in seiner Rhapsody from the Low Countries aus dem Jahr 1967 zeigt sich Henk van Lijnschootens Vorliebe für einfache Volkslieder als Grundlage für viele seiner Kompositionen. Lijnschotten beschreibt anhand von vier Liedern seine niederländische Heimat: „Daar ging een Meid om Water uit“, „In Holland staat een Huis“, „Hoe groot o heer“ und „Daar ging een Partertje langs de Kant“. In den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts schrieben viele Komponisten des Blasorchesters rhapsodische Werke, die auf Volksliedern gründeten. Ziel war es dabei meist, spielbare und publikumswirksame Originalwerke für die unzähligen Amateurorchester mittleren Niveaus zu schaffen. Für diese Zielgruppe waren klassische Bearbeitungen ebenso wie die wenigen Originalwerke, die vor dem zweiten Weltkrieg entstanden, oft zu schwierig. Wie immer bei Lijnschootens Kompositionen besticht auch die niederländische Rhapsodie durch die offene Instrumentation und die abwechslungsreichen kontrastierenden Themen. Eine der größten Schwierigkeiten dürfte für viele Orchester darin liegen, in den schnelleren Teilen nie die Leichtigkeit zu verlieren. Durchlaufende Achtelnoten dürfen nie zu staccato werden und die 6/8-Takte müssen immer leicht im Sinne einer Gigue
gespielt werden und dürfen nie zum 6/8-Marsch verkommen. Deshalb gilt es, dort die Zählzeiten 1 und 4 nicht zu stark zu betonen und die Viertelnoten nicht zu breit zu spielen. Ferner legte Lijnschooten den pädagogischen Fokus auf rhythmische Stabilität. Duolen und Quartolen in einem 6/8-Takt waren in den 60er Jahren ebenso ungewöhnlich wie die häufig vorkommenden „großen“ Triolen, die sich gegen einen durchlaufenden Grundrhythmus behaupten müssen. Heute sind die meisten Orchester rhythmisch weiter, so dass die erwähnten Rhythmen kaum ein Orchester der Kategorie 3 mehr vor große Probleme stellen dürften. Neben einer homogenen Artikulation und einem ebensolchen Klangideal gilt es bei der Interpretation und den Tempi darauf zu achten, dass die schnellen Teile nicht überreizt und die langsame Einleitung und der langsame Mittelteil nicht überdehnt werden. Es gilt immer: Es stehen ungekünstelte sangbare Volkslieder im Zentrum – diese gilt es zu realisieren!
Bernhard Stopp
CEREMONIAL DANCES
Greg Danner wurde 1958 in St. Louis geboren. Nach seinen Studien arbeitet er als Hornist in diversen Orchestern und ist daneben als freischaffender Komponist tätig. Er schrieb zahlreiche Auftragswerke für die U.S. Air Force Band of Mid-America und diverse Schulwerke. Seine Kompositionen gewannen mehrfach renommierte Preise. In Deutschland ist Greg Danner wenig bekannt, gleichwohl seine Werke eine wertvolle Ergänzung des üblichen Repertoire bilden. Seine „Ceremonial Dances“ hat Greg
Danner ganz in der Tradition der englischen Klassiker von Gustav Holst, Ralph Vaughan Williams und Gordon Jacob geschrieben. Er verarbeitet in seiner Musik vier britische Renaissance-Tänze in vier eher kurzen Sätzen, die sich zu einer Gesamtspieldauer von 8‘30“ addieren. Die Instrumentation sieht die Standardbesetzung im Holz vor, von den tiefen Hölzern sollte mindestens eine Stimme besetzt sein. Oboe kann notfalls ersetzt werden, was aber zu einem deutlichen Verlust der Farbigkeit der Instrumentation führt. Im Blech gibt es zwei Horn-Stimmen, von denen mindestens eine besetzt werden muss. Von den vier Schlagzeug-Stimmen müssen die Pauken, Percussion 2 und 3 besetzt werden. Die Percussion 1 beinhaltet überwiegend Stabspiele, die im Orchester abgedeckt sind. Die Instrumentation ist sehr geschickt
und farbig ausgeführt. Die Renaissance- Stilistik spiegelt sich deutlich wider. Tutti Passagen wechseln sich mit reinen Blech- und Holz- Abschnitten ab, die Musik bleibt immer tänzerisch und rhythmisch anspruchsvoll. Stichnoten sind leider nicht eingezogen, daher muss der Dirigent fehlende Stimmen selbst auf andere Instrumente verteilen, was aber durchaus von Vorteil sein kann, weil er die Fähigkeiten seines Orchesters sicherlich am besten einschätzen kann. In der sauberen Erarbeitung der polyphonen Strukturen und dem Erreichen einer gelungenen Klangbalance liegen die Hauptschwierigkeiten des Werkes. Die technischen Anforderungen sind größtenteils überschaubar. Allerdings finden sich in der Flöte und ersten Trompete kniffelige solistische Passagen, die in der Kategorie 3 sicherlich die Musiker herausfordern. Die Arbeit lohnt sich allerdings, das Stück bietet eine großartige Gelegenheit ein Orchester in Zusammenspiel, Stilistik und Klangausgleich zu schulen. Greg Danner schreibt in seinen Erläuterungen zu den „Ceremonial Dances“: Der Eröffnungssatz „The Queen´s Command“ ist ein feierlicher Prozessionsmarsch im 6/8 Takt. Die fröhlische Hauptmelodie, die zuerst im Blech auftaucht und von punktierten Rhythmen geprägt ist wechselt in einen cantilenen Holzbläser-Abschnitt bevor im abschließenden Tutti das Anfangsthema wieder aufgegriffen wird. Im zweiten Satz wird die Galliard „Earl Stafford“ verarbeitet. Die Musik beginnt mit einem 3/4 Ostinato-Rhythmus im tiefen Tom gefolgt von einem reich harmonisierten Holzbläser-Chor. Der Mittelteil kontrastiert mit einer glänzenden Trompeten-Melodie die in eine Klimax des ganzen Orchesters mündet. Der Satz endet ruhig mit einem Trompeten Solo über dem anfänglichen Holzbläser Choral. Die Pavane „St.Thomas, Wake“ ist ein prächtiger Choral mit fließenden Melodie- Linien und bildet den 3. Satz. Die Musik ist sensibel instrumentiert um dem Orchester viele Farben zu entlocken. Den letzten Satz bildet der lebhafte Shanty-Song „Fortune My Foe“. In kurzer Zeit entwickelt sich eine flotte Melodie mit einer synkopischen Begleitung. In der finalen Coda erscheint die prächtige Melodie der Pavane aus dem 3. Satz wieder und führt die Musik zu einem dramatisches Ende. Stefan Barth
BRIGHT SUNNY DAYS
Andrew Boysen Jr. hat sein Werk Bright Sunny Days für eine Schulband in Pennsylvania geschrieben. Es beschreibt den Beginn des Sommers und soll den Musiker und Zuhörer auch entsprechende Freude vermitteln. Zu Beginn wird Spannung aufgebaut, es ist der letzte Schultag und die Schüler können die bevorstehenden Sommerferien kaum erwarten. Das Werk beginnt musikalisch mit den tiefen Blechbläsern und Schlagwerk, nach und nach kommen alle anderen Instrumente mit ihren Liegetönen hinzu und treiben die Spannung mit einem Sept-Non-Akkord in Takt 12 zum Höhepunkt. In den Liegetönen des Orchesters hört man eine erweiterte Version der raditionellen Glocken von Westminster. Ab Takt 13 beginnt das Hauptthema, gespielt und vorgestellt von den Trompeten, mit rhythmischer Unterstützung der Hi-Hat und Klangfarben aus dem Schlagwerk. Nachdem die Trompeten das Thema einmal vorgestellt haben, setzt das komplette Orchester ein und spielt es im Tutti. Trotz der fast in jedem Takt neuen Taktart hat die Melodie einen Wiedererkennungswert und Ohrwurmpotential. Spannend bei der Erarbeitung des Werkes wird dabei auf jeden Fall die kompositorische Akzentsetzung durch die tiefen Holz- und Blechbläser. Nach einer kurzen melodischen Pause in den Takten 29 bis 37, in denen der Komponist ein klangliches Zwischenspiel eingebaut hat, erklingt die Melodie in Takt 37 erneut, aber in einer neuen Instrumentation. In Takt 52, nach zwei Takten Orchester fortissimo, folgt erneut ein Zwischenspiel in D-Moll gehalten, bei dem der durchgängige viertel-Puls erhalten bleibt. Einzelne Solisten oder Instrumentengruppen können sich durch ein kleines Solo auszeichnen. Ab Takt 68 beginnt eine harmonisierte Melodie der hohen Holzbläser, die das Gefühl eines langsamen Tempos und somit eines langsamen Mittelteils entstehen lässt. Nach und nach kommen auch hier die Blechbläser hinzu, bis letztlich das komplette Orchester mit drei akzentuierten Vierteln zu Takt 80 einen variierten Teil der Hauptmelodie einleitet. In einer Dissonanz, aber dafür ohne Taktwechsel, erklingt die Melodie leicht abgewandelt. Nach dieser ompositorischen Varianz erreicht das Werk in Takt 109 wieder seinen Anfang, in dem es, reduziert auf die Bassinstrumente, seinen Spannungsbogen in den Sept-Non- akkord zu Takt 121 wiederholt. Melodie und Instrumentation wiederholen sich nun bis Takt 161, in dem der Komponist einen logischen und fulminanten Schluss für dieses Werk beginnt. In den Triller der hohen Holzbläser steigen Trompeten, Hörner und Saxophone fanfarenartig ein, die tiefen Bläser geben Fundament und Klang. Das Werk endet in Takt 175 mit einem passend zu den Ferien fröhlich anklingendem F-Dur Akkord in Grundstellung und Oktavlage. Daniel Peters
OUVERTURE 2000
Henk van Lijnschootens Ouverture 2000, geschrieben im Jahre 1990, zählt zu den Spätwerken des Komponisten, welches er im Alter von 63 Jahren schrieb. Obwohl man unweigerlich beim Titel an eine Jahreszahl denken möchte, sollte die Zahl für das 2000. Orchesterwerk stehen, das seit der Gründung der Firma Molenaar im Jahre 1933 erschienen war. Anlässlich dieser denkwürdigen Tatsache wurde diese Ouvertüre in Auftrag gegeben und der Familie Molenaar gewidmet. Dem Auftragsgrund angemessen ist auch die Grundstimmung in der Musik: kompakt, festlich und dynamisch. Nach einer Eröffnungsfanfare mit mehreren Takt- und Registerwechseln folgt ein virtuoser, schneller Abschnitt, in dem alle Register des Blasorchesters gezogen werden. Ein nicht ganz simples Unterfangen, denn die Holzbläser müssen einige schwierige Läufe bewerkstelligen. Auch das Schlagzeug ist klein besetzt mit Glockenspiel, Großer und Kleiner Trommel sowie Pauken, also mit 3-4 Spieler/inne/n gut machbar. Erstmals setzt die, das Stück beherrschende, Hauptmelodie in Takt 60 ein. Hier ist ein ausgewogener, weicher Klang in den Klarinetten wünschenswert, der im Kontrast zu den fanfarenartigen Blechbläserattacken ab Takt 87 steht.
Viele Passagen wiederholen sich (mit kleinen Abweichungen) von nun an, bis ab Takt 192 van Lijnschooten mehrere Themen miteinander in Beziehung setzt und bereinanderstellt: 211 spielen die Trompeten ihr Anfangsmotiv (abgewandelt) zur Unisono-Melodie, 228 erinnern die Läufe der Holzbläser an die anfänglichen Takte der Einleitung, 231 spielen Altsaxophone und Hörner die seit 192 bekannte Melodie in halbem Tempo dazu. Das ist extrem spannend, aber ebenso schwierig gut zusammen zu bekommen und transparent die einzelnen Motive herauszuarbeiten. Im ab Takt 261 glänzende Finale wird ein letztes Mal das Thema verwendet, bis der rasante resto-Schluss mit seinen Synkopen und verschobenen Rhythmen das wilde, aber durchaus klassische, Ende einleitet. Fazit: Ich habe die Ouverture 2000 schon in den 1990er Jahren mit meinem Heimatverein spielen dürfen und weiß daher um ihre Tücken. Obwohl die meisten Orchester technisch damals noch nicht so weit waren wie heute, gibt es viele Passagen, die gut geübt werden müssen, da das Werk sehr transparent geschrieben ist und viele Stellen offen liegen. Aber genau da liegt auch der Reiz: Es ist eben KEIN Einheitsbrei mit Dopplungen in allen Registern und gemäßigtem programmatischem Anspruch der Zuhörer willen. Es ist ein Klassiker, der er wert ist, den Musiker näher gebracht zu werden, ein Stück Blasmusikkultur. Die Beschäftigung mit der ungeheuren Themenvielfalt und dem Ideenwitz des Komponisten macht die Probenarbeit zu einem über Monate hinweg spannenden Unterfangen. Dr. Björn Jakobs
LEXICON OF THE GODS
Ein musikalischer Ausflug in die griechische Mythologie: Der amerikanische Komponist Rossano Galante (*1967) nimmt uns in seinem 2015 entstandenen Werk Lexicon of the Gods auf eine Zeitreise in die Welt der Götter Perseus, Penthos und Zeus mit. Insgesamt rund zehn Minuten dauert die dreisätzige Suite für sinfonisches Blasorchester, die aufgrund der geforderten Besetzung, spieltechnischer und rhythmischer Ansprüche sowie kontrastreichen Themen und Motiven für Orchester der Oberstufe eine willkommene Herausforderung darstellt. In einem dramatisch angelegten Spannungsbogen sowohl innerhalb der Einzelsätze, als auch in Gänze etrachtet, gelingt es Galante, der bereits zahlreiche Filmmusiken komponiert hat, Orchester und Zuhörer gleichermaßen in den Bann zu ziehen. Der Eröffnungssatz ist Perseus gewidmet, dem Sohn des Zeus, der es der Legende nach schafft die Gargone Medusa, ehemalige Geliebte Poseidons, zu enthaupten, die jeden, der sie ansieht, in Stein verwandelt. Nach einem pompösen Grandioso als Einleitung erklingt ein mitreißender Hauptteil. Heroische Motive werden von fließenden melodischen Linien ergänzt. Darunter ein rhythmischer Puls, der den Satz zu seinem Höhepunkt treibt und die Spannung auch dynamisch und technisch in der Schlusspassage gipfeln lässt, die quasi an die Tötung Medusas mit Perseus‘ Schwertschlag erinnert. Das Wechselspiel der Register nuanciert die Klangfarben dieses aufregenden Satzes, der natürlich auch durch seine gewaltigen Tuttipassagen beeindruckt. Als deutlichen Kontrast beschreibt Galante im anschließenden Mittelsatz Penthos, den Geist der Klage, Verzweiflung und Trauer, der als Gehilfe von Hades, dem Herrscher über die Unterwelt, gilt. Demnach ist der Satzcharakter natürlich nicht überraschend: Lyrisch, besinnlich und nach Galantes Spielanweisung „trauernd“ leiten die Holzbläser im langsamen Grundtempo ein, nehmen in dichtem Legato die Blechbläser mit sich und gestalten zusammen durch dynamische Effekte eine meditative Stimmung. Die Herausarbeitung von harmonischen Wendungen und miteinander verschmelzenden Motiven zeichnen die Musik, die bewusst im Dreiertakt konzipiert ist, aus. Kleine und große Sekunden durchziehen klagend den wunderschönen, besinnlichen Satz, der Oboe und Fagott gesetzt haben sollte. Gerade als sich Penthos sanft kammermusikalisch verabschiedet, tritt Zeus, oberster olympischer Gott der griechischen Mythologie, Gott des Himmels und des Donners, erhaben und mächtig in Szene. Wer sonst, wenn nicht er sollte nicht nur wegen des „Z“ in seinem Namen das Lexikon der Götter komplettieren. Schon der Beginn des Satzes trifft uns nicht unerwartet: Im heroischen Fortissimo stellt ihn Galante im kraftvollen Tutti dar, ein Statement für die Macht und Stärke des Göttervaters. Solche unerschütterlich wirkenden Tutti-Teile kontrastieren mit schwebenden Linien der Holzbläser. Verbunden mit entsprechender dynamischer und artikulatorischer Gestaltung arbeitet sich Galante so zum fulminanten Höhepunkt seiner Suite vor, die als Programmmusik ein lebendiges unterhaltsames sowie beindruckendes Werk darstellt und gleichzeitig vielfältige Möglichkeiten bietet, die unterschiedlichsten Facetten sinfonischer Blasmusik darzustellen.Claudia Wälder-Jene